Gewissenruh und Gottstreu im Wesertal

„Gewiss ist der Herr an diesem Ort, und ich wusste es nicht" lautet das Bibelwort aus 1. Mose 18,16, das in französischer Sprache über der Tür der Waldenserkirche in Gewissenruh in Stein gehauen wurde. Das daneben eingemeißelte Gründungsdatum der aus Wesersandsteinen erbauten Kirche lautet 1. August 1779.  Der kleine Saalbau mit einem aus Holz gefertigten Abendmahlstisch, der zentrierten Kanzel mit Schalldeckel und der später eingebauten Orgelempore über dem Eingang entsprach den Erfordernissen für einen reformierten Gottesdienst. Über 50 Jahre hatten die waldensischen Glaubensflüchtlinge warten müssen, bis sie in ihrer eigenen Kirche ihre in französischer Sprache gehaltenen Gottesdienste feiern konnten. 1722 hatte der Landgraf  Carl von Hessen-Kassel das bescheidene Dorf an der Oberweser zwölf Familien zur Verfügung gestellt. Die aus Frankreich stammenden Glaubensflüchtlinge fanden nach jahrelangen Irrwegen durch die Schweiz, Württemberg, Brandenburg-Preußen, Dänemark, Hamburg-Altona, Celle und Braunschweig in Gewissenruh endlich eine dauerhafte Bleibe. Das oben zitierte Bibelwort belegt, dass sie nicht damit gerechnet hatten, dass in diesem armseligen Landstrich Gott zugegen war und dass sie dort eine neue Heimat finden würden.

Kirche

Einige Kilometer von Gewissenruh entfernt liegt der kleine 380 Einwohner zählende Weserort Gottstreu, dessen Gründung denselben geschichtlichen Hintergrund aufweist. Das ebenfalls 1722 gegründete Dorf erhielt seinen Namen von Landgraf Karl, der auch dort zwölf waldensischen Flüchtlingsfamilien die Chance für einen Neuanfang bot. Bereits 1730 konnte der reformierte „temple" in Gottstreu seiner Bestimmung übergeben werden. Der mit verputzten Sandsteinen erbaute und in französisch-reformierter Tradition eingerichtete Saalkirchenbau ist etwas geräumiger ausgefallen als der im benachbarten Gewissenruh. Er verfügt über 60 Sitzplätze. Ein gestickter Wandbehang erinnert an den Wahlspruch der Waldenser „Lux lucet in tenebris" (Das Licht leuchtet in der Finsternis).

Gottestreu Kirche

Im ehemaligen Schulhaus von Gottstreu ist das Waldenser-Museum untergebracht, dass 2009 neben einer Dauerausstellung auch zahlreiche Veranstaltungen zum Calvin-Jahr anbietet (siehe unter www.reformiert-info.de). Die Dauerausstellung informiert u.a. über den langen Weg der waldensischen Glaubensflüchtlinge vom Val Cluson (Frankreich) bis an die Oberweser und über die Beziehungen zu den heutigen Waldensergemeinden in Italien.

Nadine Kaminski

 

Informationen:

Die Weserorte liegen rund 25 km von Hannoversch-Münden und 40 km von Göttingen bzw. Kassel entfernt am Reinhardswald. Die zum Dekanat Hofgeismar der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck  gehörenden Kirchen können besichtigt werden (www.ekkh.de/gemeinden). Gewissenruh: Schlüssel im Haus gegenüber. Gottstreu: Von Mai bis September jeweils sonntags zwischen 15 und 17 Uhr und nach Absprache. Homepage der Kirchengemeinde

Waldensermuseum: Waldenserstraße 1 in 34399 Oberweser-Gottstreu, Tel. 05544-912159 oder 05574-405.  In der Zeit vom Mai bis September ist das Museum jeweils sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei. Besuchergruppen können sich auch außerhalb der regulären Öffnung anmelden. Info