Niedergrafschaft Lingen
Die Niedergrafschaft Lingen bildete mit der heute zu Nordrhein-Westfalen zählenden Obergrafschaft Lingen (Ibbenbüren, Brochterbeck, Mettingen, Recke) die Grafschaft Lingen und gehörte seit 1496 zur Herrschaft des Grafen von Tecklenburg. Konrad von Tecklenburg führte 1541 die lutherische Reformation ein; neue Prediger wurden installiert, eine eigene Kirchenordnung eingeführt.
Doch diese Phase endet schon fünf Jahre später, weil Konrad die Herrschaft über Lingen verlor. Das entscheidende Datum für die Einführung der reformierten Reformation in der Grafschaft Lingen ist das Jahr 1578. In diesem Jahr kam die Grafschaft Lingen an das reformierte Haus Oranien. Der Prinz Moritz von Nassau-Oranien reformierte ab 1597 die Gemeinden, indem er das Evangelium predigen ließ. Und obwohl scheinbar kein Zwang ausgeübt wurde, wandten sich die meisten der Einwohner zum reformierten Bekenntnis.
1605 jedoch wurde Lingen von den in spanischen Diensten stehenden Feldherrn Spinola erobert - und die Grafschaft rekatholisiert. Mit Erfolg, denn das junge Pflänzlein der reformierten Konfession hatte sich noch nicht tief genug einwurzeln können.
1524 wird in Meppen der reformierte Prediger Melchior Balthasar hingerichtet. 1633 ändert sich wieder die Herrschaft: Oranien übernimmt wieder das Ruder. Ab 1634 gibt es wieder reformierten Gottesdienst in Lingen. Auch in einigen anderen Gemeinden werden reformierte Prediger eingesetzt, aber es besteht jetzt eine Zweiteilung: die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist und bleibt römisch-katholisch, eine Minderheit reformiert. Ein kurzes Intermezzo 1673/74 folgt, in denen der Münsteraner Bischof, der die Grafschaft Lingen erobert hatte, wieder für eine Trendwende zugunsten der römisch-katholischen Kirche sorgte. Aber schon 1674 übernehmen wieder die Oranier die Herrschaft in der Grafschaft Lingen. Aufgrund der zahlreichen Wechsel in den letzten Jahren war der größte Teil der Bevölkerung unwillig, auch einen erneuten Konfessionswechsel vorzunehmen: die reformierten Prediger wurden nicht freundlich aufgenommen, verbotene römisch-katholische Gottesdienste fanden zum Teil in Notkirchen außerhalb des Landes statt. 1678 wurde eine eigene Kirchenordnung nach niederländischen Vorlagen entworfen, die später Vorbild für die Kirchenordnung der Grafschaft Bentheim werden sollte. Diese betont die reformierten Grundsätze des Heidelberger Katechismus, beauftragt die Kirchenräte mit der Gemeindeleitung (es gibt aber nur in Lingen, Lengerich und Ibbenbüren eine, die dann für die nichtgenannten Gemeinden mit zuständig sind) und verweist ausdrücklich darauf, dass keine der anderen Gemeinden über eine andere herrschen dürfe.
1693 wird in Lingen die Hohe Schule gegründet, an der Theologie, Jura, Medizin und Philosophie studiert werden kann. Sie wird 1820 geschlossen; einzelne Gebäude der Hohen Schule sind heute noch in Lingen zu finden.
Ab 1702 gehört die Grafschaft Lingen zu Preußen, wobei sich für die Gemeinden wenig ändert. In ihr wird weiter auf niederländisch gepredigt, es werden niederländische Gesangbücher benutzt. 1815 ändert sich wieder die Herrschaft, jetzt wird die Niedergrafschaft Lingen dem Königreich Hannover zugesprochen, die Obergrafschaft verbleibt bei Preußen. Es existieren 1845 zehn reformierte Gemeinden in der Niedergrafschaft Lingen mit insgesamt ca. 1200 Gemeindegliedern. 1866 kommt Hannover an Preußen, und 1882 schließen sich die evangelisch-reformierten Gemeinden der Niedergrafschaft Lingen der Evangelisch-reformierten Kirche an.
Heute bilden die Gemeinden der ehemaligen Niedergrafschaft Lingen zusammen mit der 1889 gegründeten Gemeinde Osnabrück und der noch recht jungen Gemeinde Melle den Synodalverband Emsland-Osnabrück (VII).